Von der Panik, die sich im US-Buchmarkt in den vergangenen Wochen breit gemacht hat, sind die Briten zwar (noch) ein ganzes Stück entfernt, doch auch im Vereinigten Königreich wird die Stimmung von Tag zu Tag angespannter. Hauptgrund ist die Pleite von Woolworths (buchreport berichtete), die ausgerechnet in der heißen Phase des Weihnachtsgeschäfts immer größere Kreise zieht.
Ende vorvergangener Woche hat auch die Woolworths-Tochter Entertainment UK (EUK), die fast alle großen Supermarktketten mit Büchern (teils auch mit Musik) versorgt, das Handtuch geworfen. Konkursverwalter Deloitte war es nicht gelungen, kurzfristig einen Käufer für das Unternehmen zu finden. Zwei Drittel der ca. 1100 Mitarbeiter wurden am Montag entlassen, mit einem Rumpfteam wird ein Notbetrieb zum Abwickeln der Geschäfte aufrecht erhalten.
Bei den Supermärkten Tesco, Sainsbury’s und Morrison’s greifen mittlerweile in aller Eile ausgearbeitete Notpläne. Die Versorgung mit Büchern ist sichergestellt: In vielen Fällen liefern die Verlage direkt, auch Barsortiment Gardners sowie eine Reihe regionaler Mediendistributeure sind in die Bresche gesprungen. Offen ist, ob die Verlage, wie von Deloitte in Aussicht gestellt, zum Wochenende den vehement geforderten Zugriff auf ihre Toptitel im EUK-Logistikcenter in Middlesex erhalten. Dort lagern Bücher im Wert von ca. 15 Mio Pfund.
Bertrams steckt im Sog der Woolworths-Pleite
Nach wie vor unklar ist die Zukunft von Bertrams. Der zweitgrößte britische Zwischenbuchhändler gehört seit anderthalb Jahren zur Woolworths-Gruppe, ist aber vom Konkurs unmittelbar nicht betroffen, weil er wirtschaftlich unabhängig vom Mutterkonzern operiert und mit anderen Banken arbeitet. Doch obwohl die Geschäfte in Norwich normal laufen, hat Deloitte inzwischen bestätigt, dass auch Bertrams zum Verkauf steht. Es gibt eine Reihe von Interessenten; angeblich ist ein Deal so gut wie unterschriftsreif.
Nicht nur Woolworths drückt die Stimmung, auch die Kaufzurückhaltung der britischen Konsumenten schlägt der Buchbranche aufs Gemüt. Nach einem vergleichsweise guten Start in das Weihnachtsgeschäft sind die Umsätze in der Vorwoche eingebrochen. BookScan hat für die 50. Kalenderwoche einen Buchhandelsumsatz von 67,7 Mio Pfund ausgerechnet, 10,5% weniger als in der Vergleichswoche des Vorjahres. Im Zwölf-Monats-Vergleich liegt der Buchumsatz laut BookScan dagegen lediglich um 1,2% zurück.
Verantwortlich für den Rückgang ist sowohl eine um 5,4% gesunkene Nachfrage als auch niedrigere Preise für Spitzentitel als Folge der beispiellosen Rabattschlacht, die sich die großen Buchketten und Amazon mit zunehmender Heftigkeit liefern. Der Durchschnittspreis lag in der vergangenen Wohe bei 7,94 Pfund (2007: 8,39 Pfund).
Ohne die von den Medien seit Wochen massiv gescholtenen Promi-Biografien sähe die Zwischenbilanz auf der Insel noch schlechter aus. Nie zuvor waren die „Celebs“ so erfolgreich wie 2008: Allen voran Schauspieler Paul O’Grady, dessen Erinnerungen „At My Mother’s Knee“ (Bantam Press) mit 511253 verkauften Exemplaren als erster Promi-Titel die 500.000er-Marke übersprungen hat.
Celebrities und Waterstone’s sitzen nicht in einem Boot
Im Handel sind die Supermärkte und WH Smith die treuesten Verbündeten der Prominenz. Auch Waterstone’s verkauft O’Grady und Co. zum halben Preis, aber offensichtlich längst nicht so erfolgreich. So berichtet der „Guardian“, dass Simon Fox, CEO von Waterstone’s-Inhaber HMV Media, die Verlage bereits auf hohe Remissionsquoten einstimmt. Bei der Vorlage der Halbjahreszahlen des Medienhändlers warnte er vor hohen Bücherbergen in den 313 Filialen des Branchenprimus, dessen Umsatz zwischen Mai und Oktober mit 235,1 Mio Pfund um 3,8% zurücklag.
Nicht ganz so pessimistisch wie sein Chef gibt sich Gerry Johnson. Dass der Geschäftsführer von Waterstone’s, der auf der Insel nicht unbedingt für seinen überbordenden Optimismus bekannt ist, ein „Spitzenergebnis“ im Weihnachtsgeschäft nicht ausschließt, lässt die Branche aufhorchen.
Für den vorweihnachtlichen Endspurt zieht der Marktführer noch einmal alle Register. Im Mittelpunkt der von der Werbeagentur CHI konzipierten Weihnachtskampagne stehen Fernsehspots, die Waterstone’s fast täglich zur besten Sendezeit auf vier zuschauerintensiven Kanälen schaltet. Gedreht wurden die Spots nicht im Studio, sondern während der normalen Geschäftszeit in der Buchhandlung im Londoner Stadtteil Chiswick.
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