Der Börsenverein hat in dieser Woche auf seiner Wirtschaftspressekonferenz eine Gratwanderung zwischen Krise und Zuversicht vollzogen:
- Die Coronakrise habe Verlage und Buchhandlungen wirtschaftlich schwer getroffen.
- Mangelnde Finanzpolster aufgrund der geringen Margen in der Branche brächten viele Unternehmen in Existenznot.
- Die Unternehmen hätten aber mit „Kreativität und digitaler Innovationsfreude“ Chancen und ihre vorhandenen Online-Shops genutzt.
Insgesamt habe der Sortimentsbuchhandel während der Schließungsphase 65% an Umsatz verloren. Das Positive daran für Börsenvereins-Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis: Der Rest konnte durch die Findigkeit und Energie der Händler gehalten werden. Das sei eine „enorme Leistung” gewesen, allerdings seien die Umsätze ob des Mehraufwands auch teuer erkauft gewesen.
Die freundliche Prognose: Zwar sorgten die Umsatzrückgänge aus den Lockdown-Wochen für ein „negatives bisheriges Jahresergebnis“, aber der Branche sei es zuletzt gelungen, „ihre Verluste kontinuierlich zu reduzieren“. Verlage und Buchhandlungen blickten zuversichtlich auf das verbleibende Jahr.
Zusätzlichen Auftrieb verleihen dabei die jüngsten Umsatzzahlen für Juni, die im buchreport.express 28 (ET: 9. Juli) dieser Woche ausführlich analysiert werden und die Märkte in Deutschland, Österreich und der Schweiz separat betrachten (hier bereits ab heute, 17 Uhr, als E-Paper einsehbar).
Verlage streichen geplante Titel
Ergänzend zu den aktuellen Halbjahreszahlen des Handels hat der Börsenverein auch von einer Umfrage unter Verlagen berichtet, die einen durchschnittlichen Umsatzrückgang um 14,5% für den Zeitraum Januar bis Mai ergeben hat. Programmkonsequenzen:
- Mehr als die Hälfte der Verlage verschiebt Titel ins nächste Jahr.
- 36% geben an, z.T. geplante Titel ganz aus dem Programm zu nehmen.
Davon seien zu einem großen Teil unbekannte oder „unentdeckte“ Autoren betroffen sowie Nischentitel. Das sei zwar verständlich, weil diese Titel für die Verlage das größte wirtschaftliche Risko darstellten, meint Verbands-Vorsteherin Karin Schmidt-Friderichs, sei aber auch ein Alarmsignal: Diese Entwicklung gefährde die literarische und kulturelle Vielfalt.
Börsenvereins-Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis, damit auch erster Lobbyist der Branche im politischen Berlin, kann sich etwa staatliche Zuschüsse zu den Produktionskosten vorstellen, um so die Buchproduktion wieder anzukurbeln. Inwieweit diese und andere Ideen des Verbands auch tatsächlich im geplanten Kultur-Rettungspaket „Neustart Kultur” aufgegriffen werden, sei allerdings noch unklar.
Keine Wende im Quo-vadis-Leserschwund
Der Börsenverein hat auch neue Zahlen aus der Fortschreibung seiner „Buchkäufer – quo vadis?“-Studie vorgestellt, die von 2012 bis 2017 einen dramatischen Rückgang von mehr als 6 Mio Buchkäufern attestiert hatte. Auf einen zwischenzeitlichen Zuwachs 2018 (+1%) folgte 2019 eine fortschreitende Erosion (–3,5%). Nur noch 28,8 Mio Menschen kauften laut GfK im vergangenen Jahr mindestens ein Buch.
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