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Zwischen Panik und Pfauen

Die Kandidaten für die Shortlist des Deutschen Buchpreises, der in diesem Jahr zum zehnten Mal verliehen wird, stehen fest. Die sechs nominierten Romane, von denen jeweils zwei bei Suhrkamp und Kiepenheuer & Witsch erschienen sind:

  • Pfaueninsel“ von Thomas Hettche (Kiepenheuer & Witsch, September 2014); Kommentar der Jury: „Seit seinem Debüt ‚Ludwig muß sterben‘ von 1989 als Avantgardist gerühmt, erweist sich Thomas Hettche mit seinem Roman ‚Pfaueninsel‘ erneut als einer der elegantesten und raffiniertesten Stilisten der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Wie Maria Dorothea Strakon, das historisch überlieferte preußische Schlossfräulein der Pfaueninsel bei Berlin, mit Lust seine Festtagsgewänder anlegte, so schlüpft Hettche in ein vollendetes Sprachkleid aus dem 19. Jahrhundert. Anhand der anrührenden Lebensgeschichte der kleinwüchsigen Marie lässt er ein ganzes Jahrhundert vom ausklingenden Rokoko bis zur Erfindung der Eisenbahn, von Hegel über Darwin bis Lenné, Revue passieren. Botanik und Sentiment, Theorie und Sinnlichkeit gehen in ‚Pfaueninsel‘ eine Verbindung ein, die auf unerwartete Weise das Heute spiegelt und die Leserin, den Leser einer literarischen Osmose sondergleichen unterzieht.“
  • April“ von Angelika Klüssendorf (Kiepenheuer & Witsch, Februar 2014); Kommentar der Jury: „Endlich geht es weiter mit dem Mädchen, das sich nun (nach einem Deep Purple Song) April nennt. Es sind die späten 70er Jahre in Leipzig und die frühen 80er in West-Berlin, die April zwischen VEB-Kombinat, Psychiatrie, Ausreise und dem Leben selbst taumeln lassen, immer zwischen zartem Glück und totalem Versagen, getrieben aus trostloser Kindheitsvergangenheit in eine ungewisse Zukunft. Angelika Klüssendorf versteht es prächtig uns in Aprils Sog zu ziehen. Lebensprall und traurig, nüchtern und klar, unsentimental und präzise, mit großer Lakonie: ein Meisterwerk – knapp 25 Jahre nach der Wende.“
  • Panischer Frühling“ von Gertrud Leutenegger (Suhrkamp, März 2014); Kommentar der Jury: „Ein strahlender Frühling liegt über London. Auf einer Themsebrücke begegnet die Erzählerin von Gertrud Leuteneggers Roman ‚Panischer Frühling‘ einem jungen Zeitungsverkäufer mit einem Feuermal im Gesicht. Die beiden so unterschiedlichen Menschen treffen sich nun täglich, vertrauen einander ihre Geschichten an, auch ihre Geheimnisse. – Ein schwebendes und tiefsinniges Buch, Großstadtroman und Kammerspiel in einem, getragen von einer so exakten wie musikalischen Sprache.“
  • 3000 Euro“ von Thomas Melle (Rowohlt.Berlin, August 2014); Kommentar der Jury: „So rasant wie zärtlich erzählt Thomas Melle eine Liebesgeschichte in der Großstadt. Der hoch verschuldete Anton und die Kassiererin Denise suchen einen Ausweg aus ihrem verlorenen Dasein und versuchen Nähe. ‚3000 Euro‘ ist ein Roman über Figuren, die jeder mal gesehen hat, die aber kaum einer kennt. Hier ist dank strenger Konstruktion und virtuoser Rhythmisierung ein neuer Ton der poetischen Sachlichkeit gewonnen: kräftig, träumerisch, empört und gelassen zugleich.“
  • Kruso“ von Lutz Seiler (Suhrkamp, September 2014); Kommentar der Jury: „Lutz Seiler beschreibt in ‚Kruso‘ in unglaublich dichter und eleganter Sprache den Sommer des Jahres 1989 auf der Insel Hiddensee. Der 24-jährige Germanistikstudent Ed aus Halle landet auf der ‚Insel der Aussteiger‘, heuert in einem Ausflugslokal an und begegnet dort Alexander Krusowitsch, Kruso. Diese sich entwickelnde vielschichtige Freundschaft wird durch das Verschwinden Krusos jäh unterbrochen. Neben dem sich im Hintergrund abzeichnenden Ende der DDR und den vielen originellen Episoden der Inselbewohner schafft Seiler den Ostsee-Flüchtlingen ein literarisches Denkmal. Ein kluger, melancholischer und dabei höchst vergnüglicher Roman, der bleiben wird.“
  • Der Allesforscher“ von Heinrich Steinfest (Piper, März 2014); Kommentar der Jury: „Ein geistreicher, von bizarren, urkomischen Ideen sprühender Roman, der mit stilistischer Eleganz unsere globale Gesellschaft abbildet. Wir erleben einen Mann, der sich und sein Leben immer wieder neu erfindet. Ein moderner Münchhausen. Wir reisen mit ihm rund um die Welt, bis er in Stuttgart als Bademeister landet. ‚Der Allesforscher‘ interessiert sich vom Phänomen des Wimpernschlags bis zum Überleben auf See für nahezu alles –
    und wird mit Tiefe, Temperament und berückender Leichtigkeit beschrieben.“

Hettches „Pfaueninsel“ rangiert aktuell auf Platz 41 der SPIEGEL-Bestsellerliste für gebundene Romane. In dieser Woche ist zudem „Kruso“ von Seiler der Neueinstieg auf Platz 18 gelungen.

Der Jury für den Deutschen Buchpreis 2014 gehören an:

  • Wiebke Porombka (freie Kritikerin)
  • Jens Bisky („Süddeutsche Zeitung“)
  • Katrin Hillgruber (freie Kritikerin)
  • Frithjof Klepp (Buchhandlung ocelot, Berlin)
  • Susanne Link (Buchhandlung Stephanus, Trier)
  • Manfred Papst („NZZ am Sonntag“)
  • Annemarie Stoltenberg („NDR Kultur“)

Seit Ausschreibungsbeginn haben die sieben Jurymitglieder 176 Titel gesichtet, die zwischen Oktober 2013 und dem 10. September 2014 erschienen sind.

Die Preisverleihung findet am 6. Oktober 2014 zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse im Kaisersaal des Frankfurter Römers statt. Der Sieger erhält ein Preisgeld in Höhe von 25.000 Euro. Die fünf Shortlist-Finalisten erhalten jeweils 2.500 Euro. 

Der Deutsche Buchpreis wird von der Börsenverein des Deutschen Buchhandels Stiftung vergeben. Förderer ist die Deutsche Bank Stiftung, weitere Partner sind zudem die Frankfurter Buchmesse, Paschen & Companie und die Stadt Frankfurt am Main.

Die bisherigen Gewinner des Buchpreises im Überblick
2005 
Sieger: „Es geht uns gut“ von Arno Geiger (Hanser)
außerdem auf der Shortlist:
  • „Die Vermessung der Welt“ von Daniel Kehlmann (Rowohlt)
  • „42“ von Thomas Lehr (Aufbau)
  • „Dunkle Gesellschaft“ von Gert Loschütz (Frankf. Verlagsanstalt)
  • „So sind wir“ von Gila Lustiger (Berlin Verlag)
  • „Und ich schüttelte einen Liebling“ von Friederike Mayröcker (Suhrkamp)
2006 
Sieger: „Die Habenichtse“ von Katharina Hacker (Suhrkamp)
außerdem auf der Shortlist:
  • „Woraus wir gemacht sind“ von Thomas Hettche (Kiepenheuer & Witsch)
  • „Neue Leben“ von Ingo Schulze (Berlin Verlag)
  • „Wie der Soldat das Grammofon repariert“ von Saša Staniši? (Luchterhand)
  • „Der Weltensammler“ von Ilija Trojanow (Hanser)
  • „Angstblüte“ von Martin Walser (Rowohlt)
2007 
Sieger: „Die Mittagsfrau“ von Julia Franck (S. Fischer)
außerdem auf der Shortlist:
  • „Das bin doch ich“ von Thomas Glavinic (Hanser)
  • „Abendland“ von Michael Köhlmeier (Hanser)
  • „Böse Schafe“ von Katja Lange-Müller (Kiepenheuer & Witsch)
  • „Der Mond und das Mädchen“ von Martin Mosebach (Hanser)
  • „Wallner beginnt zu fliegen“ von Thomas von Steinaecker (Frankfurter Verlagsanstalt)
2008 
Sieger: „Der Turm“ von Uwe Tellkamp (Suhrkamp)
außerdem auf der Shortlist:

  • „Die Abschaffung der Arten“ von Dietmar Dath (Suhrkamp)
  • „Das dunkle Schiff“ von Sherko Fatah (Jung und Jung)
  • „Treffen sich zwei“ von Iris Hanika (Droschl)
  • „Nach Hause schwimmen“ von Rolf Lappert (Hanser)
  • „Adam und Evelyn“ von Ingo Schulze (Berlin Verlag)
2009
Sieger: „Du stirbst nicht“ von Kathrin Schmidt (Kiepenheuer & Witsch)
außerdem auf der Shortlist:

  • „Lichtjahre entfernt“ von Rainer Merkel (S. Fischer)
  • „Atemschaukel“ von Herta Müller (Hanser)
  • „Überm Rauschen“ von Norbert Scheuer (Kiepenheuer & Witsch)
  • „Die Frequenzen“ von Clemens J. Setz (Residenz)
  • „Grenzgang“ von Stephan Thome (Suhrkamp)
2010
Sieger: „Tauben fliegen auf“ von Melinda Nadj Abonji (Jung und Jung)
außerdem auf der Shortlist:

  • „Georgs Sorgen um die Vergangenheit oder im Reich des heiligen Hodensack-Bimbams von Prag“ von Jan Faktor (Kiepenheuer & Witsch)
  • „September. Fata Morgana“ von Thomas Lehr (Hanser)
  • „Andernorts“ von Doron Rabinovici (Suhrkamp)
  • „Rabenliebe“ von Peter Wawerzinek (Galiani Berlin)
  • „Dinge, die wir heute sagten“ von Judith Zander (DTV)
2011 
Sieger: „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ von Eugen Ruge (Rowohlt)

außerdem auf der Shortlist:

  • „Gegen die Welt“ von Jan Brandt (Dumont)
  • „Wunsiedel“ von Michael Buselmeier (Das Wunderhorn)
  • „Das Mädchen“ von Angelika Klüssendorf (Kiepenheuer & Witsch)
  • „Blumenberg“ von Sibylle Lewitscharoff (Suhrkamp)
  • „Die Schmerzmacherin“ von Marlene Streeruwitz (S. Fischer)
2012
Sieger: „Landgericht“ von Ursula Krechel (Jung und Jung)

außerdem auf der Shortlist:

  • „Robinsons blaues Haus“ von Ernst Augustin (C.H.Beck)
  • „Sand“ von Wolfgang Herrndorf (Rowohlt.Berlin)
  • „Indigo“ von Clemens J. Setz (Suhrkamp)
  • „Fliehkräfte“ von Stephan Thome (Suhrkamp)
  • „Nichts Weißes“ von Ulf Erdmann Ziegler (Suhrkamp)

2013

Sieger: „Das Ungeheuer“ von Terézia Mora (Luchterhand)

außerdem auf der Shortlist:

  • „Nie mehr Nacht“ von Mirko Bonné (Schöffling & Co.) 
  • „Nichts von euch auf Erden“ von Reinhard Jirgl (Hanser)
  • „Im Stein“ von Clemens Meyer (S. Fischer) 
  • „Die Sonnenposition“ von Marion Poschmann (Suhrkamp) 
  • „Die Ordnung der Sterne über Como“ von Monika Zeiner (Blumenbar)

Foto: Petra Gass

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