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Zwischen Text und Technik

Christoph Kappes kennt Versicherungen und Werbeagenturen von innen. Als Mitgründer von Sobooks will Kappes Buchlektüre und -diskurs vereinen. Michael Lemster stellt Kappes in der Serie „Seitenwechsel“ vor.

Sie üben drei Berufe aus: Berater, Interimsmanager und Verleger. Welcher Schreibtisch ist Ihnen der liebste? 

Die haben alle ihre Vor- und Nachteile. Den Berater gebe ich nur zwischendurch, weil ich in dieser Funktion nicht viel bewegen kann. Die Verlegerei ist mein Herzensprojekt, obwohl sie mit dem klassischen Verlegertum nicht so viel zu tun hat.
Dann bloggen Sie auch noch wie der Teufel und haben so viele Tweets in die Welt gesetzt wie kaum jemand – können Sie nie den Mund halten?
(lacht) Nein. Ich artikuliere mich gern und merke an den Reaktionen, ob das gut oder Blödsinn war, was ich mitgeteilt habe. Damit kann ich meine Identität bilden. Nur wer kommuniziert, kann das. Außerdem hat diese Art Kommunikation häufig etwas Spielerisches wie das Werfen von Steinchen in einen Teich. Anschließend ziehe ich mich in die Beobachterposition zurück.

Sie sind Jurist und waren im Vorstand bei der Generali. Dann haben Sie eine Agentur aufgemacht. Was qualifizierte 1991 einen Juristen dazu?

Eigentlich nichts. Ich habe mich mit einer kleinen Schnittmenge befasst, das ist die Rechtsinformatik. In diesem Orchideenfach beschäftigt man sich mit der Formalisierung von Recht. Aber rein praktisch ermöglichten mir Programmierung und Softwaretrainings ein für studentische Verhältnisse relativ gutes Leben. Nach der Öffnung der innerdeutschen Grenze habe ich mir eine goldene Nase verdient, indem ich im Auftrag westdeutscher Medienhäuser ostdeutsche Medienprofis trainiert habe.

Wie war 1991 das Web?

Das gab es in diesem Sinne noch nicht. Es gab Mailboxen und proprietäre Systeme wie Compuserve. Was wir zunächst machten, war Multimedia, wir arbeiteten z.B. mit ersten digitalen Videoformaten. Quicktime entstand in diesem Jahr. In diesem Jahr wurde in Berlin auch Pixelpark gegründet, und ich habe in Hamburg mit Partnern eine eigene Agentur auf die Beine gestellt.

Die Sie 17 Jahre später an Pixelpark verkauften. Warum hat das so lange gedauert?

(lacht) Wahrscheinlich, weil ich zu sehr festgehalten habe an dem, was ich für mein Lebenswerk gehalten habe. Im Nachhinein denke ich, dass dies für meine Entwicklung eher hinderlich war. Irgendwann merkt man, dass man auf der Stelle tritt, immer patriarchalischer wird. Ich bin froh, dass ich mich dann aus dieser Position verabschieden konnte.

Ihre nächste Station: Eine Consulting-Firma mit Ihnen als einzigem Berater. Eine große Umstellung?

Da war zu Anfang sehr schwer, weil ich gewohnt war, Sekretariat und Assistenten zu haben und mich gut zu fühlen damit, dass ich eine große Firma habe. Nach einem halben Jahr war ich erleichtert, zu sehen, dass ich auch allein gutes Geld verdienen kann. Mir hat das einen großen Entwicklungsschub gegeben. Ich habe erst zu diesem Zeitpunkt angefangen, mich im Internet zu bewegen, davor war es nur Gegenstand meiner Arbeit. Auf der Entwicklerseite gehöre ich zu den Web-Pionieren, auf der Nutzerseite zu den Spätzündern.

Sie übernahmen 2013 wieder operative Verantwortung im Medienbereich, als Digitalchef bei ServusTV. Warum kann Brausefabrikant Red Bull „Medien“ besser als ein Medienunternehmer?

Das ist eine steile These, dass er es besser kann. Aber eine positive Seite an Red Bull Media ist die stark event- und innovationsgetriebene Kultur. Das unterscheidet Red Bull von anderen Medienunternehmen, in denen alles 13-mal auf die Goldwaage gelegt und zwölfmal von den Controllern abgeschossen wird. Bei Red Bull wird viel Geld ausgegeben, und es gelingt nicht alles, aber es entstehen viele Ideen und die Menschen trauen sich, sie zu artikulieren. Die Entscheidungswege sind sehr kurz, und das Management ist sehr entscheidungsfreudig. Dieses Zupackende ist sehr motivierend für die Mitarbeiter. Das steht ganz im Gegensatz zu dem, was ich in Buchverlagen erlebe, wenn es um digitale Themen geht. In den klassischen Medienbetrieben herrscht mehr Komplexität. Red Bull hat allerdings die Besonderheit, dass die Veranstaltungen, über die berichtet wird, selbst organisiert werden. Das tun Medienunternehmen in der Regel nicht, sondern sie berichten über das, was andere tun. Das ist schon Content-Marketing im engeren Sinne und das kann man auch nur, wenn man global tätig ist und die finanzielle Power hat.

Gibt es tatsächlich keine bessere Art, Taurinlimo zu verkaufen als Fernsehserien über Gärten?

Ich denke nicht, dass da ein Zusammenhang besteht. Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz hält sich sehr bedeckt, aber ich glaube, er engagiert sich bei ServusTV, weil ihm die Verwurzelung in der Region wichtig ist und nicht, weil es einen Zusammenhang mit dem Umsatz der Dose gibt.

Was ist an Sobooks anders?

Wir bieten eine integrierte Plattform, auf der man Bücher kaufen, über sie diskutieren und sie empfehlen kann. Da Sobooks browserbasiert ist, sind die Inhalte völlig ohne Medienbruch überall verfügbar. Sie brauchen keine bestimmten Endgeräte, müssen keine App starten, und die Kommentare Ihrer Freunde können Sie sich wahlweise in Echtzeit am Rand Ihres Textes anzeigen lassen.

Warum brauchen Sie Sobooks? Was fehlt zum Glück?

Für mich ist es wichtig, tatsächlich unternehmerisch tätig zu sein. Das lässt mir viel Freiheit, gibt mir auch viel Verantwortung. Reizvoll ist das deshalb, weil ich ja noch nie ein Produkt-Start-up selbst gemacht habe. Das ist für mich ein Lernprozess, der mir gefällt. Und dadurch, dass ich in den letzten Jahren das Schreiben entdeckt habe und auch in klassischen Verlagen publiziert habe, schließt sich mein Lebenskreis. Als Jurist habe ich mich intensiv mit dem Diskurs, dem Text beschäftigt. Als Unternehmer gehe ich mit Autoren um, die mir am Herzen liegen. Auch die Technik ist mir sehr nah. So kommen alle Dinge zusammen, die ich in meinem Leben gelernt und geliebt habe – von meiner Exfrau abgesehen (lacht).

Können Sie sich vorstellen, einmal ein gedrucktes Buch herauszubringen?

Am 30. Juni erschien im Springer Verlag ein gedrucktes Buch über Medientheorie, das ich mit herausgebe. Bei Sobooks ist es nicht unser Ziel, Gedrucktes zu publizieren. Nicht aus grundsätzlichen Erwägungen, sondern weil wir mit unseren Kernaufgaben an der Grenze unserer Leistungsfähigkeit sind. Ich persönlich habe keine Berührungsängste. Mein „deep reading“ findet heute mit einem Verfahren statt, das ich mir als Jurist angewöhnt und seit Jahrzehnten standardisiert habe – mit Bleistift, Rotstift und Leuchtmarker, mit Unterstreichungen und Randbemerkungen. Viele Juristen arbeiten ähnlich; das geht ohne Papier gar nicht.

Wo sehen Sie den E-Book-Marktanteil in Deutschland in den nächsten Jahren? Auf US-Niveau bei 30%?

Ich wüsste nicht, warum er nicht so weit steigen sollte. Die Preisbindung ist nur noch eine temporäre Barriere. Das Internet erlaubt es heute, auch am abgelegensten Ort ohne wirtschaftliche Nachteile Medien zu kaufen. Darauf wird der Gesetzgeber sicherlich irgendwann reagieren.


Seitenwechsel: Christoph Kappes
Zur Serie: Ein Seitenwechsel ist immer spannend; er bringt Chancen und Risiken. Vor allem aber bringt er einen Wechsel der Perspektive mit sich und ein vollständigeres Bild der Dinge. Michael Lemster hat mehrfach die Seiten gewechselt: Vom Journalismus zum Verlag, zum Versandhandel, zum E-Commerce, zum Consulting. Für buchreport befragt er Grenzgänger nach ihren Motiven.
Christoph Kappes war am Beginn seiner Berufslaufbahn Vorstandsassistent einer internationalen Versicherung. 1991 gründete er die Multimedia-Agentur Xplain mit, die er 2008 an die Agentur Pixelpark verkaufte, um das Beratungsunternehmen Fructus aufzumachen. Nebenher produziert er „ServusTV“ für Red Bull Media. Mit Sascha Lobo gründete er 2013 das E-Book-Unternehmen Sobooks.

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