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Welche Hürden gibt es bei Apples Offensive?

Apple will den Schulbuchmarkt umkrempeln und das iPad zum zentralen Lernwerkzeug an Schulen und Unis machen (hier mehr). Die Frage bleibt, welches Verhältnis die Schulbuch-Verlage zu Apple haben werden. Angeblich diktierte der verstorbene Firmengründer Steve Jobs seinem Biografen mit Blick auf den Textbuchmarkt, dieser sei „reif für die digitale Zerstörung“ – kein gutes Entrée im Dialog mit den Verlagen. 

Ein attraktives Geschäftsfeld für Verlage 

Zum Start der nächsten iBooks-Generation tritt Apple in Schulterschluss mit den US-Schulbuchriesen PearsonMcGraw Hill und Houghton Mifflin Harcourt. Eine Vielzahl ihrer Lehrbücher ist bereits – interaktiv und multimedial aufbereitet – im iBookStore verfügbar. Warum sich die Verlage darauf einlassen? Um beeinflussen zu können, wie sich die Preise ihrer Produkte entwickeln, vermutet der „Economist”. Und weil sie glaubten, dank Apple nicht mehr nur ein Lehrbuch an eine Schule verkaufen können, welches Jahr für Jahr für eine neue Schülergeneration verwendet wird – sondern stattdessen jedes Jahr erneut eine digitale Version direkt an die Schüler verkaufen zu können. 
Neue Konkurrenz durch Amateur-Autoren
Ein zweischneidiges Schwert: Denn während die Kalifornier auf der einen Seite mit den Verlegern kooperieren, ermuntern sie gleichzeitig andere, diese zu attackieren: Ähnlich wie der App Store die Entwicklung von Software demokratisiert hat und neue Startups entstehen ließ, werde die Mac-Software „iBooks Author“ (hier im Detail vorgestellt) in Verbindung mit dem iBookStore den Schulbuchmarkt für branchenfremde Unternehmen und Akademiker öffnen, prophezeit der „Economist“. Letztlich entstehe so eine Fülle an neuen Lehrbüchern, von denen viele direkt mit den Angeboten der Verlage konkurrieren. 
Die Folgen:
  • Das Preisniveau in diesem Segment wird voraussichtlich massiv sinken, weil die Amateur-Autoren eine andere Kostenstruktur als Verlage haben. 
  • Zudem hat Apple ein anderes Verständnis von Textbooks: Wurden diese früher mit langen Fristen in neuen (Print-)Auflagen aktualisiert, sollen sie jetzt permanent auf den neuesten Stand gebracht werden können, ähnlich wie Webseiten. Dies setzt klassische Verlage unter Druck, ihre Workflows zu ändern. 
Lesegewohnheiten der Studenten: digital second
Lehrbücher sind zwar ein attraktiver Markt für Technologieunternehmen. Doch die Bildungsverlage haben in den USA bislang große Schwierigkeiten, digitale Bücher an den Hochschulen zu etablieren:
  • Laut einer Studie der National Association of College Stores lag der Anteil der E-Books am gesamten Lehrbuchmarkt 2010 bei nur 3%, laut Forrester Research bei 2,8%. 
  • Der E-Book-Anbieter Ebrary fand in einer Befragung von 6500 Studenten heraus, dass sich der Grad der Nutzung von E-Books seit 2008 kaum verändert hat.
Eine Vermutung der Forscher: Verlage können die Studenten mit herkömmlichen PDF-Derivaten der Print-Titel nicht ködern; diese seien es gewohnt, mit Kommentaren und Anstreichungen im Buch zu arbeiten, würden also durch die klassischen E-Reader ausgebremst. Eine Lektion, die auch Amazon lernen musste: 2009 versuchte der Onliner mithilfe des Kindle DX, einer größeren E-Reader-Version des Kindle-Readers, den Lehrbuchmarkt zu erobern. Das Unternehmen scheiterte; die Studenten beschwerten sich, dass das Lesegerät träge und nicht interaktiv sei. 

Apple dagegen hat jene Schwächen konsequent ausgemerzt: In einem iBook können die Schüler Inhalte durchsuchen, Wörter nachschlagen, für sie relevante Informationen filtern, unterstreichen und kommentieren und Karteikarten extrahieren, mit denen sie lernen können. Gleichzeitig können die Kalifornier auf ihre tiefe, langjährige Beziehung zum Bildungsmarkt zählen. 

Vor diesem Hintergrund gelten Tablets und angereicherte E-Books an den Hochschulen als Hoffnungsträger des 8 Mrd Dollar schweren US-Bildungsmarktes – und dahin zielt die jüngste Apple-Offensive.
Denken Schulen um?
Auch wenn die mit dem iPad verbundenen Möglichkeiten für Verlage vielversprechend scheinen: Es gilt nun, die Schulen von den technischen Möglichkeiten zu überzeugen. Eine nicht zu unterschätzende Herausforderung. 
Selbst jene, die bereits die neuen iBooks anbieten, sagen, dass es seine Zeit braucht, bis die technologischen Möglichkeiten den Lehrbuchmarkt verändern werden: „Es gilt, eine sehr hohe und teure Hürde zu überwinden“, erklärte Josef Blumenfeld , Senior-Vizepräsident von Houghton Mifflin Harcourt der „New York Times“. Die Schulen müssten sich zuerst mit der Idee anfreunden, die Rechte für die iBook-Lehrbücher jedes Jahr zu bezahlen anstatt eine einmalige Gebühr für gedruckte Bücher zu bezahlen, die fünf oder sechs Jahre genutzt werden können. 
Auch die Verlage müssten sich daran gewöhnen, 30% Provision an Apple abzutreten. Den Gewinnen von Houghton Mifflin Harcourt würden die neuen Lehrbücher aber nicht abträglich sein, da die Kosten für Druck und Versand entfielen. „Davon haben wir seit Jahren geträumt“, so Blumenfeld weiter. Potenziell problematisch sei auch, dass Apple-Lehrbücher exklusiv für Apple-Produkte hergestellt würden, ergänzt Jill Ambrose, Marketingchef von CourseSmart.

Ausblick 

Xplana, ein Beratungsunternehmen für elektronische Handels-Dienste für Bildungseinrichtungen, sagte bereits vor der Apple-Ankündigung voraus, dass die Verkäufe digitaler Lehrbücher von 3% im vergangenen Jahr bis 2015 auf über 25% ansteigen werde. 

Darüber hinaus arbeiten bereits einige Regierungen daran, digitale Lehrbücher in die Klassenzimmer zu holen: Bis 2015 will die Regierung von Südkorea alle Schulbücher digitalisieren. Die Schüler sollen künftig mithilfe von Computern, Smartphones, Tablets und über den Fernseher lernen. Dafür stellt die Regierung 2,23 Mrd südkoreanische Won (umgerechnet rund 1,4 Mrd Euro) bereit (buchreport.de berichtete). 

Und in Deutschland? Auch der deutsche IT-Branchenverband Bitkom forderte wiederholt die Einführung digitaler Schulbücher in den Klassenzimmern – zuletzt im November 2010 mit der plakativen Forderung nach einem „Ende der Kreidezeit“ an Schulen. Die marktführenden Bildungsverlagsgruppen Klett und Cornelsen erklärten damals auf Nachfrage von buchreport, dass sie zwar ohne Weiteres in der Lage seien, Unterrichtskonzepte digital zur Verfügung zu stellen – verwiesen aber auf die knappen Bildungsmedienetats und den Kraftakt einer flächendeckenden Versorgung. 

Die deutschen Schulbuchverlage planen, auf einer einheitlichen Plattform gemeinsam digitale Schulbücher anzubieten (mehr dazu in der kommenden Woche auf buchreport.de).

Fotos: © Apple

Kommentare

3 Kommentare zu "Welche Hürden gibt es bei Apples Offensive?"

  1. Matthias Lätzsch | 21. Januar 2012 um 8:14 | Antworten

    Hab ich was verpasst ist der Geldmangel im Bildungssektor behoben und sowohl Schulen als auch Schüler können über Nacht iPads in unbegrenzter Stückzahl kaufen, davon abgesehen, das es mal wieder Lieferprobleme geben würde.
    Die USA hat mal wieder eine tolle Idee und natürlich müssen wir in good old europe gleichziehen, nur um dann mal wieder festzustellen das wir das vielleicht doch nicht brauchen/möchten.
    Diese Geschichte ist doch eine Luxusmonopolisierung, die die Arm-reich-Schere ins absurde treibt.
    Wenn schon digitale Schulbücher, dann auf Linuxtablets zum Volxpreis.
    Bloss weil die Entscheider Apple Statussymbole nutzen, müssen Endbenutzer das doch nicht auch müssen.
    Wo bleibt die Freiheit der Entscheidung?

  2. christa saalfeld | 21. Januar 2012 um 1:35 | Antworten

    Natürlich geht es bei dem Produkt iPad nicht um das iPad.

    Es geht um die neuen Points-of-Sale, die in Konsequenz die Vielfalt von Verlagen und weiteren Leistungsträgern, die ( im Idealfall ) dem Autor und dem Inhalt dienen, zerstören werden.

    Das entspricht den langfristigen Zielen (und dem Charakter) Steve Jobs. Er wollte immer ein Monopol, den Konkurrenzausschluss und die Zerstörung, die notwendig ist, sein Reich aufzubauen. Man bedenke, dass dem Applekonzern langfristige Manipulation von Generationen möglich werden und eine Datenbank unermesslichen Ausmaßes entsteht.

    Der Konkurrenzausschluss der IT-Konzerne schafft ein globales IT-Konzern Oligopol, das über faschistische Strukturen Herrschaft über Konsumenten ausüben will. Ein vielfältige Kulturlandschaft ist für IT-Konzerne eben nur Content.

    Wer glaubt, dieser Kommentar sei hier polemisch, sollte sich einmal mit einem seriösen Wirtschaftswissenschaftler oder einem guten Kaufmann unterhalten.

    Buchhändler und Buchhandelsketten, die glauben, sie würden den Angriff der IT-Konzerne „schon“ überleben, irren sich. Die Software zur Erstellung der „neuen“ digitalen Bücher wird – ob Apple oder Adobe – an den Vertriebsweg über die Konzerne gebunden.

    Dies ist eine kriegerische Auseinandersetzung. Und hier ist kein Platz mehr für Träumer.

    Jetzt die Schlüsselposition in den Klassenzimmern zu suchen, ist bei Männer, die gerne Schwarz tragen, nicht verwunderlich. Der Weg Jobs wird also von Apple weiter beschritten.

    Der Zusammenschluss der Schulbuchverlage zum Aufbau einer Plattform ist, wenn sie offen ist und demokratische Interaktion ermöglicht, der richtige Weg. Wir können froh sein, dass wir in Europa leben.

  3. Nepomuk Elismer | 20. Januar 2012 um 20:41 | Antworten

    Ich würd sagen, es geht langfristig gar nicht so sehr um den Bildungsbereich… Hier ein recht interessanter Post, der die Frage nach der Demokratisierung des Buchmarkts stellt:
    http://gedankenstrich.org/2012

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