Natürlich weiß Christian Jund, dass die Inszenierung des fortgeschrittenen Alzheimerleidens des prominenten Fußballmanagers Rudi Assauer eine heikle Sache ist, weshalb er gleich versichert: „Er ist unser Held, wir führen ihn nicht vor.“ Der Verleger der Münchner Verlagruppe, in dessen Riva-Verlag jetzt die Biografie „Wie ausgewechselt. Verblassende Erinnerungen an mein Leben“ (250 Seiten, 19,99 Euro) erscheint, hat das Marketing persönlich von langer Hand vorbereitet, um zum Erstverkaufstag (2. Februar) die denkbar größte Aufmerksamkeit zu bekommen:
- „Bild“ hat am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag mit Assauers Erkrankung aufgemacht („Sorge um den größten Macho der Bundesliga“), was der 67-Jährige Ex-Manager mit guten Kontakten zur „Bild-Chefredaktion“ selbst eingestielt habe. Zum Erstverkaufstag promoted „Bild“ direkt: „Assauers erschütterndes Alzheimer-Buch“, zitiert auf einer knappen Seite aus dem Riva-Titel als Start einer Artikel-Serie.
- Der „Stern“ bringt zum Erscheinungsstag eine Titelgeschichte zu Assauer mit Auszügen aus der Biografie.
- Das ZDF hat der Geschichte im „heute journal“ für eine Nachrichtensendung sehr breiten Raum eingeräumt, was mit der am Dienstag (7.2.) folgenden „37-Grad“-Reportage zusammenhängen dürfte.
Natürlich ist auch die Presse insgesamt mehr oder weniger ausführlich in das Thema eingestiegen und die Talkshow-Caster werden, nachdem die Endlos-Debatte über Christian Wulff auch hartgesottene Zuschauer vergrätzt, dankbar für ein neues Thema auf der Agenda sein.
Gelingt auch bei der Auflagenplanung eine Punktlandung?
Um die Medieninszenierung und Buch-PR zu solcher Perfektion zu treiben, musste die Vorbereitung klandestin erfolgen. Vorangekündigt worden war nur ganz allgemein eine Assauer-Biografie. Auch die Vertreter seien nicht eingeweiht worden, heißt es in München. Der fürs Schreiben gewonnene Co-Autor Patrick Strasser hatte sich bei Riva 2009 mit einer (weniger spektakulären) Biografie zu Bayern Münchens Manager Uli Hoeneß profiliert.
Mit Spannung wird in der Buchbranche jetzt verfolgt, welche Nachfrage ein solches PR-Feuerwerk entfacht und ob die Münchner Verlagsgruppe auch ein gutes Händchen bei der Auflagenplanung hat. Im Verlag ist von einer Startauflage von mal 25.000 oder auch 50.000 Exemplaren die Rede und dass man schnell nachdrucken könne…
Dass Verlage nicht immer das richtige Gefühl für mediengetriebene Auflagen von Topsellern haben, hat die Branche noch aus 2010 in leidvoller Erinnerung, als DVA/Random House das Skandal- und Debattenbuch „Deutschland schafft sich ab“ von Thilo Sarrazin zunächst in kleinen Tranchen servierte. „Die DVA ist trotz des zu erwartenden großen Medienrummels mit einer Startauflage von nur 25.000 Exemplaren angetreten“, berichtete damals buchreport, um sich mit Häppchen von 15.000, 30.000 und 80.000 Exemplaren usw. der späteren Millionenauflage zu nähern. Andererseits gibt es keine Einschätzungen, welche Kaufimpulse das große Medieninteresse im Fall des Schicksalbuchs von und über Assauer auslösen kann.
Korrektur: Philipp-Lahm-Bestsellererfolg bei Antje Kunstmann
Im aktuellen buchreport.express wird fälschlicherweise der Eindruck erweckt, auch der ebenfalls mit geschickter PR-Arbeit forcierte Fußballbuch-Bestseller „Der feine Unterschied“ von Nationalspieler Philipp Lahm sei dem Riva Verlag zuzuordnen. Dieser Erfolg steht allerdings dem Antje Kunstmann Verlag zu, der damit 2011 auf Platz 9 der SPIEGEL-Jahresbestsellerliste Sachbuch landete. Aktuell steht „Der feine Unterschied“ auf Platz 31.
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