Die Preisbindung entspreche nicht mehr dem Zeitgeist der sich liberalisierenden Märkte, meint der Züricher Buchhändler Wolfgang Jaeger (Buchhandlung im Licht). Jetzt seien „außergewöhnliche Erlebnis- und Dienstleistungskonzepte“ gefragt.
Wie schätzen Sie das Ergebnis des Referendums ein?
Ich bin von der Deutlichkeit des Ergebnisses überrascht. Die Preisbindung entspricht nicht dem Zeitgeist der sich liberalisierenden Märkte. In der Schweiz fand außerdem in den letzten Monaten eine Sensibilisierung in Sachen Preise statt. Wegen dem starken Franken sind viele Schweizer im Ausland einkaufen gegangen, und der Ruf nach Weitergabe der Währungsabschläge ist lautstark, ja aggressiv geführt geworden („Die Preise in der Schweiz sind viel zu hoch“). Auch wenn das nicht direkt etwas mit der Buchpreisbindung zu tun hat, bin ich überzeugt, dass dadurch die Stimmung für eine Preisbindung mit angeblich hohen Preisen ungünstig war.
Wie wird sich die Schweizer Buchbranche in den kommenden Jahren entwickeln?
Der Strukturwandel wird schneller, aber nicht anders als mit der Buchpreisbindung vor sich gehen. Kleine Verlage werden noch mehr in kleine Nischen gedrängt, haben aber mit Internetverkäufen und E-Books eine gewisse Chance, sich unabhängig vom Mainstream zu behaupten. Der Zwischenbuchhandel wird durch Direkteinkäufe der großen Ketten immer mehr umgangen und wird stark reduziert. Viele unabhängige Buchhandlungen werden die nächsten Jahre nicht überleben, es sei denn sie können sich mit außergewöhnlichen Erlebnis- und Dienstleistungskonzepten neu ausrichten. Dabei kommt eine freie Preisgestaltung den „Nischenbuchhandlung mit deutlichem Mehrwert“ eher entgegen. Die seit Jahren sinkenden Buchpreise bei laufend steigenden Struktur- und Lohnkosten – das kann bei gleichbleibendem Trend nicht aufgehen. Von Büchern allein wird keiner mehr leben können. Das könnte allerdings auch den Großbuchhandlungen und Buchhandelsketten passieren. Gewinner sind die internationalen Internetanbieter und E-Book-Verkäufer, die sich längst mit großem technischen und finanziellen Aufwand positioniert haben. Oder eben jene Buchhandlungen, die sich mit viel Elan und Risikobereitschaft auf völlig Neues einlassen.
Weitere Stimmen zum Buchpreisbindungs-Referendum: Wolfgang Jaeger (Buchhändler), Philip Karger (Ex-Buchhändler), Dani Landolf (SBVV), Autorenverband AdS, Börsenverein, Stefan Fritsch (Diogenes), Peter S. Fritz (Agent), Christian Russ (Preisbindungstreuhänder), Daniel Röthlin
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