Die rund 20 Jahre andauernde Rettungsmission für die Großenzyklopädie „The Britannica“ ist endgültig gescheitert. Nach 244 Jahren hat sich der Verlag entschieden, die Printausgabe nicht mehr fortzuführen. Stattdessen attackiert der Verlag die Online-Enzyklopädie, die ihm letztlich den Garaus gemacht hat.
Nach Angaben von Encyclopaedia Britannica sollen in diesem Jahr keine neuen Bände des Großlexikons erscheinen. Die 2010er Edition der Enzyklopädie mit 32 Bänden ist somit die letzte. Künftig will sich der Verlag ausschließlich auf die digitale Ausgabe der „Britannica“ und Angebote für den Bildungsmarkt konzentrieren.
Rückblick: Nachdem im Jahr 1990 allein in den USA noch eine Auflage von 120.000 Stück von der Enzyklopädie verkauft wurde, konnte der Verlag 2010 nur die Hälfte der 8000er-Auflage absetzen – die restlichen Sets (ursprünglich: 1395 Dollar) sollen noch abverkauft werden. Rund 4000 Beiträger arbeiteten an der jüngsten Ausgabe mit.
„Es wurde für uns immer schwieriger, die Print-Ausgabe zu erhalten, mit ihr konnten wir nicht die Qualität unserer Datenbank und Redaktion übermitteln“, begründete Britannica-Chef Jorge Cauz den Rückzug gegenüber Reuters. „Die Britannica war eine der ersten Firmen, die schon vor rund 20 Jahren die vollen Auswirkungen der Technologie gespürt hat, und wir haben seither versucht, uns anzupassen, obwohl es zeitweise sehr schwierig war“, so Cauz. Mit Blick auf Print-Produkte aus anderen Genres erklärt der Verleger, dass viele Publikationen künftig ausschließlich in digitaler Form erscheinen werden.
Die „Totenglocke“ sei für die erstmals 1768 in Schottland veröffentlichte Print-Enzyklopädie schon vor langer Zeit geläutet worden – die Print-Edition habe zuletzt weniger als 1% der Umsätze ausgemacht. Die 1994 an den Start geschobene kostenpflichtige Online-Ausgabe (70 Dollar pro Jahr) spiele 15% der Erlöse ein, der Rest entfalle auf den Verkauf von Bildungsangeboten (z.B. Online-Lernangebote).
Künftig werde man mehr kostenlose Online-Inhalte anbieten, um mögliche Abonnenten anzulocken, kündigte Cauz an. Zu diesem Zweck werde die Webseite in den kommenden drei Wochen nach einem Relaunch an den Start gehen. Das neue Internetangebot solle interaktiver ausfallen. Zwar geht Cauz nicht davon aus, mit diesem Schritt die Wikipedia überholen zu könne – beide Angebote hätten unterschiedliche „Verantwortlichkeiten“. Und doch hat der Verlag die Mitmach-Enzyklopädie zentral im Fokus.
„Wir haben eine wichtige Rolle zu erfüllen. Die Wikipedia sieht uns als Relikt einer alten Ära. Aber Fakten werden immer zählen, in welcher Form auch immer“, so Cauz. Während die Wikipedia das „Gemurmel der Gesellschaft“ sei, versuche man, selbst als eine einzige, gut informierte Stimme aufzutreten. Die Leser seien bereit, dafür auch zu zahlen.
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