Der Rechtsstreit um das „Schwarzbuch WWF“ ist noch nicht beigelegt. Zwar muss eine Passage aus dem Buch gestrichen werden – aber erst in der zweiten Auflage, entschied die Richterin am Freitag. Über die übrigen Punkte sollen sich die Naturschutzorganisation WWF und das Gütersloher Verlagshaus (Random House) gütlich einigen. Bis zur endgültigen Entscheidung darf der Titel weiter verkauft werden, so der Verlag in einer Mitteilung.
Bis zum nächsten Verhandlungstag am 20. Juli 2012 sollen sich die Parteien auf einen Kompromiss einigen. Falls dies nicht gelingt, will das Gericht ein Urteil verkünden.
Letztlich werde keine der Parteien hundertprozentig siegen, betonte Richterin Margarete Reske. Das Gericht würde höchstens einzelne Formulierungen aus dem Buch streichen lassen, nicht aber die Kritik des Autors Wilfried Huismann an sich verbieten. Denn: „Der WWF muss sich auch Kritik gefallen lassen“, so die Richterin.
In einem Punkt konnte bereits ein Vergleich erzielt werden: In einer zweiten Auflage darf der Verlag die Aussagen einer bestimmten WWF-Mitarbeiterin nicht mehr wiederholen. Dieser Sachverhalt sei aber nebensächlich, so Verlagsjustiziar Rainer Dresen. Der entscheidende Vorwurf sei, dass der WWF zu industrienah sei.
WWF kooperiere mit den „weltweit größten Umweltsündern“
Der investigative Journalist und Grimme-Preisträger Wilfried Huismann unterstellt dem WWF in seinem Buch „Schwarzbuch WWF: Dunkle Geschäfte im Zeichen des Panda“, Kooperationen mit Industriebossen, Ölmagnaten, Bankiers und Großwildjägern – darunter den „weltweit größten Umweltsündern“. Die Liste der Partner des WWF sei lang und lese sich wie ein Ranking der weltweit führenden Wirtschaftskonzerne, fasst das Gütersloher Verlagshaus seinen Titel zusammen.
Der WWF dagegen wirft dem Autor „rufschädigende und gravierende Falschaussagen vor“. Man habe alle Behauptungen geprüft und widerlegt, heißt es auf einer eigens eingerichteten Internetseite zu den Vorwürfen. Ziel des WWF ist es, gegen einzelne Aussagen eine einstweilige Verfügung zu erwirken.
WWF setzt Großhändler unter Druck
Dies thematisierte die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ am 3. Juni als Aufmacher – unter der plakativen Überschrift: „Der Buchhandel kuscht vor dem WWF“. Das Thema prägte anschließend bundesweit die Schlagzeilen zahlreicher Medien.
Nicht nur der WWF, auch der Buchhandel geriet in die Kritik, weil das Buch in vielen Läden nicht mehr angeboten wurde, obwohl das Gütersloher Verlagshaus das im April erschienene Buch weiterhin auslieferte und auch der Shop buchhandel.de der Börsenvereinstochter MVB den Titel weiter anbot.
„Rechtlich zweifelhafte Einschüchterungsversuche“
„Selten wurde der Buchhandel nach der Veröffentlichung derart flächendeckend eingeschüchtert und vom Vertrieb des Buchs abgeschreckt“, kritisiert Random-House-Verlagsjustiziar Rainer Dresen den WWF.
Auch die Deutschen Journalistinnen- und Journalisten Union (dju) moniert das Vorgehen als „nicht akzeptablen Versuch rechtlich zweifelhafter Einschüchterungsversuche“ (hier vollständig nachzulesen). Die Naturschutzorganisation habe bislang rechtlich nichts gegen das Buch in der Hand, so die in Verdi organisierte Journalisten-Gewerkschaft.
Doch auch der Buchhandel habe nicht richtig gehandelt, heißt es von der dju: „Auf die Einschüchterung durch den WWF, der damit seine Glaubwürdigkeit als Umweltschutzorganisation vollends zu verlieren droht, reagieren die Vertriebsfirmen mit voraus eilendem Gehorsam und versuchen, mit ihrer wirtschaftlichen Macht ein kritisches Buch vom Markt zu drängen“.
Buchhändler reagieren mit plakativer Gegeninitiative
Dass man sich nicht einschüchtern lasse, stellt dagegen Osiander offensiv zur Schau: Der Regionalfilialist hat alle Standorte angewiesen, ein Plakat aufzuhängen, das die Schlagzeile: „Der Buchhandel kuscht vor dem WWF!“ konterkariert mit: „Wir nicht!“ (unten abgebildet).
Auf Bitte der buchhändlerischen Genossenschaft eBuch hat Osiander das Plakat allen Buchhändlern neutralisiert zur freien Verfügung gestellt, so dass auch andere Buchhändler für das Buch werben konnten.
Der Medienrummel hat auch eine erfreuliche Seite für den Buchhandel und den Verlag: Das „Schwarzbuch WWF“ habe sich anfangs gar nicht verkauft, zitiert die „taz“ Random-House-Verlagsjustiziar Rainer Dresen. Erst durch die Pressearbeit des WWF gingen die Bücher weg wie „warme Semmeln“. Die erste Auflage mit circa 10.000 Exemplaren ist laut Verlag fast ausverkauft.
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