Vom Erfolg der Erotik-Trilogie „Shades of Grey“ könnten auch andere Verlage profitieren, meint Timothy Sonderhüsken (Foto), Programmleiter beim jungen E-Book-Verlag Dotbooks: Es bestehe die Chance, dass das Erotik-Genre gesellschaftsfähiger werde. Wie Dotbooks für Erotik-Titel wirbt, erläutert er im Interview mit buchreport.de.
Ist der Erfolg der Erotik-Triologie ein Einzelfall oder zeichnet sich hier ein breiterer Buchtrend ab?
Ich bin kein Freund von Trendprognose – das funktioniert, wenn man für H&M arbeitet und in der Lage ist, einen Designerentwurf schnell zu kopieren und ein paar Wochen später weltweit zu einem sehr geringen Verkaufspreis in einheitliche Läden zu bringen, aber die Buchbranche funktioniert deutlich anders; ich bin geneigt, dieser Überzeugung ein „zum Glück“ hinterher zu schicken.
Die „Shades of Grey“-Bücher sind meiner Meinung nach ein solitärer Erfolg, an den so schnell kein anderes Erotikformat heranreichen wird. Ich sehe aber die Chance, dass das Genre – das bisher ein Nischenthema war – nun doch gesellschaftsfähiger wird, und davon kann jeder Verlag, der erotische Unterhaltung publiziert, profitieren.
Werden Sie vermehrt erotische Titel ins Programm nehmen?
Das Erotikgenre ist – neben der Spannung, der allgemeinen Unterhaltung und dem Sachbuch – die vierte Säule des Dotbooks-Programms. Wir veröffentlichen pro Monat drei bis vier neue Erotiktitel und decken dabei bewusst die ganze Bandbreite der Leserwünsche ab: Bei Dotbooks erscheint heterosexuelle Erotik, schwule Erotik (die, wie wir durch unsere Leserpost wissen, auch sehr viele weibliche Fans hat) und lesbische Erotik.
Da wir wesentlich kurzfristiger planen können als die Kollegen der Druckverlage, sind wir natürlich in der Lage, schnell auf veränderte Marktwünsche einzugehen und die Titelzahl im entsprechenden Genre zu erhöhen – aber wichtiger als die Quantität ist uns die Qualität.
Der US-Verlag Plume versieht die Bücher von Anne Rice mit dem Hinweis „If you liked 50 Shades of Grey, you’ll love the Sleeping Beauty trilogy“. Werden auch Sie bestimmte Backlist-Titel verstärkt bewerben oder gar neu auflegen, um vom Erotik-Trend zu profitieren?
Da Dotbooks erst im Juli mit den ersten 37 Titeln an den Start gegangen ist, haben wir noch keine Backlist, dafür aber mit Ana Ribas „COCO – Ausbildung zur O“ ein aktuelles Buch, das sich ebenfalls in der Welt des BDSM bewegt. Dies kommunizieren wir natürlich über unsere Social-Media-Kanäle wie Facebook oder Twitter. Ana Riba ist eine der führenden Autorinnen der BDSM-Szene hier in Deutschland – ein echter Glücksgriff für uns, den wir parallel zu (und nicht wegen) „Shades of Grey“ ins Programm genommen haben.
In den USA und in Großbritannien wurde die Hälfte der Bücher von E.L. James als E-Book verkauft. Profitieren erotische Titel besonders vom digitalen Format?
Dieses Thema haben wir hier im Verlag sehr kontrovers diskutiert. Wir bekommen auf unsere erotischen Romane sehr schönes Leserfeedback und sogar konkrete Themenwünsche per Mail – unsere „erotische“ Fanseite bei Facebook wurde aber trotzdem deutlich weniger oft angeklickt als unsere Hauptseite, weil die Hemmschwelle, sich öffentlich und eindeutig zu seiner Lektürevorliebe zu bekennen, doch noch hoch ist (wir haben die Seite nun in „Der grüne Salon“ umbenannt).
Daher bin ich der Meinung, dass das Genre durch die Anonymisierung des E-Books begünstigt wird – Leser können sich nun auch die Fahrt zur Arbeit in der vollbesetzten U-Bahn, einen Nachmittag im Biergarten oder Café mit erotischer Unterhaltung versüßen, denn dem E-Reader sieht niemand an, ob man darauf gerade Hochliteratur oder sinnliche Geschichten liest.
Weitere Interviews zum Thema:
- Judith Mandt: „Hype ist wenig verwunderlich“
- Matthias Heubach: „Erotik war immer ein Erfolgsformat“
- Marcus Gärtner: „Da wird noch viel Geld verbrannt“
Mehr zum Konzept von Dotbooks lesen Sie im buchreport.magazin August 2012 (erscheint am 28. Juli und ist hier zu bestellen).
Ich wünsche Herrn Sonderhüsken viel Erfolg und freue mich, zu sehen, dass auch Nischenthemenleser ernst genommen werden.
Superformulierungen, äusserst zitierfähig.