Beurteile ein Buch nicht nach seinem Aussehen, könnte das Motto von Blindbuch sein, einem neuen Portal für Buchausschnitte. In der Startup-Serie von buchreport.de beschreibt der Journalist Johannes Haupt das Konzept. Und gibt Existenzgründern Tipps.
Ihr Konzept in 3 Sätzen:
Blindbuch präsentiert Buchausschnitte ohne Cover, ohne originale Überschrift, ohne Autorenangaben – der blanke Text. Am Textende lassen sich Informationen zum Buch und seinem Autor aufklappen. blindbuch.de – seit vier Wochen online und derzeit in der Betaphase – ist ein Schwesterprojekt von lesen.net, wo sich täglich rund 9.000 Lesefreunde über E-Reading informieren und austauschen.
Ihr Einstieg in die Branche:
Ich bin ein typischer Quereinsteiger in die Buchbranche, komme aus der Marketing-Ecke mit Journalismus-Einschlag. lesen.net habe ich 2009 gegründet und vier Jahre parallel zu Studium und Jobs betrieben. Im Februar habe ich meine Anstellung als Redaktionsleiter Online beim t3n Magazin gekündigt, um mich Vollzeit auf lesen.net und meine Selbständigkeit konzentrieren zu können.
Ihre erste morgendliche Tat im Büro:
Google Analytics checken, E-Mails und Social-Media-Streams überfliegen, RSS-Feeds scannen, Kaffee (nicht zwingend in dieser Reihenfolge).
Ihr letztes Telefonat:
Mit einer Bewerberin für unserer aktuell ausgeschriebene freie Redakteursstelle. Wir suchen übrigens noch. Außerdem telefoniere ich derzeit viel mit Verlagen, um Blindbuchtexte einzuwerben. Mit Bastei Lübbe haben wir gerade einen tollen neuen Partner gewinnen können. Informationen zur Veröffentlichung gibt es hier, wir freuen uns über jeden Text.
Ihr Geheimtipp für Existenzgründer:
Macht einen realistischen Businessplan und lasst ihn von Menschen gegenlesen, die sich damit auskennen. Denkt die Monetarisierung von Anfang an mit. Entgegen offenbar verbreiteter anderslautender Vermutungen bewegt sich auch die Buchbranche nicht außerhalb des Wirtschaftskreislaufs und auch mit einem Kulturgut will (und kann) Geld verdient werden. Dafür muss man sich nicht schämen und darauf sollte man auch Bock haben, wenn man es ernst meint mit „Ich mach was eigenes“.
Ihre größten Stolpersteine:
Selbst ausgedehnte Arbeitstage haben nur eine bestimmte Zahl an Stunden – Fokussierung ist da essentiell. Das gilt zum einen hinsichtlich der Projekte: Wenn man merkt, eine Geschäftsidee funktioniert nicht, sollte man seine Energie anderswo investieren, anstatt aus Verbundenheit (angesichts schon viel investierter Zeit) weiterhin das tote Pferd zu reiten. Das zu wissen, ist das eine – die Realisierung fiel mir lange Zeit schwer. Konsequenz: Ich lasse meine freie Redakteurstätigkeit bei heise online weitgehend ruhen und habe etliche attraktive Corporate-Aufträge abgelehnt, um mich voll aufs Thema E-Reading konzentrieren zu können. Daneben schraube ich derzeit nur noch sporadisch an einer kleinen neuen Sportwetten-Geschichte, als thematische Abwechslung nach Feierabend sozusagen. Zum anderen war es hart für mich, Arbeit abzugeben, getreu der Denke „nur wenn ich es selbst mache, wird es richtig“. Mein letzter Job mit Personalverantwortung für ein exzellentes Redaktionsteam hat mich in der Hinsicht aber weitgehend geheilt.
Ihr peinlichster Tweet oder Facebook-Post
Peinlichkeit ist ja immer eine Frage des Standpunkts. Bei Twitter poste ich nahezu nichts privates und achte bei Facebook und Google+ sehr auf eine Segmentierung der Kontakte – über meine Anstellungen bei t3n und zuvor bei heise bin ich da sehr sensibilisiert. In meinen Tweets könnte ich manchmal weniger zynisch sein.
Was Google von Ihnen besser nicht wüsste:
Als SEO-Spezialist war bei meinen bisherigen Projekten Google immer einer der wesentlichen Traffic-Lieferanten (bei Blindbuch wird das anders sein), in sofern ist Google mein Freund. Aber auch vor Freunden hat man Geheimnisse. Ältere Projekte wie eine Tennis-Seite oder eine Onlinespiele-Seite sind durchaus vorzeigbar, andere…weniger.
Ihr Unternehmen in 5 Jahren:
lesen.net informiert auch dann noch tagesaktuell über digitales Lesen. Außerdem sind wir erste Anlaufstelle für Lesefreunde jeglicher Coleur auf der Suche nach neuem Lesestoff – über Blindbuch und weitere Projekte, die alle dem Ziel dienen, Leser und Buch glücklich zusammenzuführen. Goodreads wird als Millionen-Flop in die Unternehmenschronik von Amazon eingegangen sein, der nach kurzem Hoch einem hochinnovativen Startup aus Hannover nicht mehr viel entgegenzusetzen hatte und schlussendlich ohne großes Aufsehen abgeschaltet wurde.
Im buchreport Startup-Check bislang erschienen:
- Fabian Thomas, Shelff
- Nikola Richter, mikrotext
- Kerstin Carlstedt, Interview Lounge
- Jan Karsten, CULTurBOOKS
- Peter Wagner, Das Buch als Magazin
- Stephanie Fehr, Goloseo Verlag
- Hans-Joachim Jauch, Calvendo
- Dirk Paulsen, wesText
- André Hille, Snippy
- Claus Beling, Storyteam
- Thorsten Schreiber, Zeilenwert
- Andreas Von Gunten, buch & netz
- Friederike Zöllner, Buchlokal
- Selma Wels und Inci Bürhaniye, Binooki
- Andreas Stammnitz, Gründer von Puzzlemap
- Michael Dreusicke, Gründer von Paux
- Ulf Behrmann, Verleger des Jesbin Buchverlags
- Andreas Köglowitz, Verleger des Unsichtbar Verlags
- Klaus Schwope, Inhaber und Kreativdirektor von Nutcracker
- Rainer Groothuis, Verleger der Groothuis, Lohfert Verlagsgesellschaft
- Uta Grosenick, Verlegerin von Distanz
- Sewastos Sampsounis, Verleger des Verlags Grössenwahn
- Reginald Grünenberg, Mitgründer von Smart Media Technologies
- Andre Schober, Gründer von Druckfrisches.de
- Michael Romer, Mitgründer von Liviato
- Peter Köbel, Gründer von Michason & May
- Peter Graf, Walde + Graf
- Cao Hung Nguyen, Mitgründer von Epidu
- Karl-Friedrich Pommerenke, Geschäftsführer von triboox.de
- Alexander Schug, Vergangenheitsverlag
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