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Tolino bleibt den Filialisten vorbehalten

Seit der Präsentation der Tolino-Lösung hat der unabhängige Buchhandel darauf gehofft, dass das E-Book-Programm als Branchenlösung etabliert werden kann. Gespräche mit der MVB waren schon im April angeblich „in der technischen Feinabstimmung“. Nach der Frankfurter Buchmesse berichtete buchreport von Verhandlungsschwierigkeiten. Jetzt zerschlägt sich die Hoffnung endgültig.

In einer Pressemitteilung vermeldet die Wirtschaftstochter des Börsenvereins, was buchreport.express schon in der Nachmesse-Ausgabe prognostiziert hatte: Die Tolino-Allianz wird nicht flächendeckend auf den Buchhandel ausgeweitet. Trotz intensiver Bemühungen habe die MVB keinen zufriedenstellenden Kompromiss mit Thalia, Weltbild, Hugendubel, dem Club Bertelsmann und der Telekom erzielen können, heißt es vom Verband – weshalb der Aufsichtsrat der Börsenvereins-Wirtschaftstöchter BBG am 24. Oktober 2013 beschlossen habe, die Verhandlungen mit der Tolino-Allianz vorerst nicht weiterzuführen.

Bedingungen waren „wirtschaftlich nicht tragfähig“

Laut MVB gab es folgende Knackpunkte:

  • Exklusiver Content-Bezug über Pubbles: Die Allianz bündelt den Bezug ihrer digitalen Inhalte über den Digitaldienstleister Pubbles (gehört zu je 50% Weltbild/Hugendubel und dem Bertelsmann Buchclub). Der unabhängige Buchhandel sehe es jedoch in Hinblick auf Verfügbarkeit und Preis als strategisch zwingend an, alternative Bezugsquellen einzubinden, so die MVB.
  • Wirtschaftlichkeit: Die angebotenen Bedingungen der Tolino-Allianz sind aus Sicht von Aufsichtsrat und MVB wirtschaftlich nicht tragfähig. So fordert die Allianz, zukünftige Partner auch an bisherigen Investitionen zu beteiligen. Das würde aber die Margen für die beteiligten Buchhändler deutlich verschlechtern und darüber hinaus eine Subventionierung durch die MVB erfordern. Nach Informationen von buchreport hätten MVB und die Mitglieds-Buchhändler 1 Mio Euro investieren müssen, um an Bord zu kommen. Dass der Börsenverein oder seine Wirtschaftstochter MVB dies für seine kleineren Buchhandelsmitglieder übernimmt, hatte Weltbild-Chef Carel Halff im Interview mit buchreport als eher „romantische“ Vorstellung bezeichnet – es sei denn aus der strategischen Überlegungen, eine unzufriedene Klientel stärker an den Verband zu binden.
  • Mitsprache: Als Partner in der Tolino-Allianz hätte sich der unabhängige Buchhandel auch entsprechende Mitsprachrechte bei der Weiterentwicklung gewünscht. Dem stand der Wunsch der Tolino-Allianz nach möglichst hoher Flexibilität und Umsetzungsgeschwindigkeit entgegen.
  • Reader-Exklusivität: Nach buchreport-Informationen sollte außerdem für den Buchhändler gelten: Du sollst neben dem Tolino keinen anderen Reader (im Geschäft) haben.“  

Halff (auf dem Foto mit Nina Hugendubel zu sehen) hatte im Interview mit buchreport seine Zweifel, dass der Buchhandel ins Tolino-Boot steigt, außerdem mit dem zu kurzfristig ausgerichteten strategischen Denken der Sortimenter begründet: „Die Reader werden von allen subventioniert, erst recht, wenn wir die Vorkosten dazunehmen, die Software-Entwicklung, das E-Book-Ökosystem. Dieses Geschäft ist ein Spätbrüter und setzt ein antizyklisches Investitionsverhalten voraus. Das ist für Buchhändler ganz ungewohnt, dass sie, wenn sie etwas verkaufen, nicht automatisch auch ein ordentliches Geschäft machen. In dieser Situation ist aber langfristiges Denken gefragt: Ich muss investieren und eine Umsatzwette eingehen, dass ich über das Gerät den Kunden binde und dass sich das Ganze womöglich erst in zwei, drei oder vier Jahren in den Verkaufsprovisionen für die E-Books auszahlt. Diesen Spielraum muss man sich schaffen. Der Buchhandel, auch der inhabergeführte ist aber bekanntlich nicht gerade hochrentabel, als dass er das aus dem laufenden Geschäft heraus investieren könnte. “

In einer Stellungnahme bedauern die Tolino-Partner den Abbruch der Verhandlungen:  „Uns Tolino-Partnern liegt das Thema Offenheit sehr am Herzen. Daher bemühen wir uns sehr intensiv um eine Lösung für die Branche.“ Selbstverständlich spreche man daher weiterhin mit anderen möglichen Partnern.

MVB will eine alternative Lösung entwickeln

„Der Wunsch des unabhängigen Buchhandels nach einer E-Book-Plattform besteht indes weiter“, erläutert MVB-Chef Ronald Schild abschließend. „Hier wird jetzt die MVB in den kommenden Wochen in den Dialog mit Vertretern der Branche treten. Gemeinsam werden wir hier Szenarien erarbeiten und diskutieren, wie Lösungen für den E-Book-Verkauf im unabhängigen Sortiment aussehen können.“ Schilds Ankündigung dürfte in vielen Ohren der Branche ein Deja-entendu auslösen.

Mehr zum Tolino im buchreport-Dossier zum Thema.

Kommentare

4 Kommentare zu "Tolino bleibt den Filialisten vorbehalten"

  1. Ohne einen gemeinsamen Reader für alle Buchhändler in DACH braucht die Branche gegen Amazon nicht anzutreten. Das muss der AkS endlich kapieren und auch entsprechend handeln.
    So ist sie dem Untergang geweiht…

  2. ein ordentliches Geschäft wäre vielleicht besser gewesen..dann würde Weltbild jetzt nicht soviel Kopfweh verursachen.

  3. Amélie von Tharach | 31. Oktober 2013 um 9:14 | Antworten

    Zitat: „Das ist für Buchhändler ganz ungewohnt, dass sie, wenn sie etwas verkaufen, nicht automatisch auch ein ordentliches Geschäft machen. In dieser Situation ist aber langfristiges Denken gefragt“

    Was soll man da noch sagen?

    • Nunja. Darauf ist die Finanzplanung seit Jahrzehnten ausgerichtet. Nicht so leicht das neu zu denken bzw auf einmal die Reserven zu haben bzw locker zu machen…

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