Dabei gibt es in diesen Geschäftsbedingungen in der Regel mindestens eine Klausel, die gerade für Vielleser interessant, allerdings nicht besonders erfreulich ist: E-Book-Händler verbieten ihren Kunden in aller Regel, die elektronischen Schmöker nach der Lektüre an irgendjemanden weiterzugeben.
Vor Kurzem hielt allerdings das Oberlandesgericht Hamm dagegen: Doch, Händler dürfen den Weiterverkauf „gebrauchter“ Audiodateien und E-Books verbieten, und das „UsedSoft“-Urteil sage gar nichts zu dieser Frage. Hintergrund der unterschiedlichen Einschätzungen ist ein juristischer Streit um Begriffe und Analogien sowie deren Folgen für die Praxis.
Im „UsedSoft“-Fall beim EuGH ging es kurz gesagt darum, dass ein „Käufer“ von Software-Dateien diese Dateien „weiterverkaufen“ wollte. Der Verkäufer wollte ihm das verbieten, und der Blick auf dessen Argumentation macht klar, warum die Begriffe „verkaufen“ und „gebraucht“ in diesem Zusammenhang oft in Anführungszeichen gesetzt werden.
Willkommen im digitalen Zeitalter. Früher war die Regel, dass Inhalte auf ein Trägermedium gedruckt, gepresst oder aufgespielt wurden. In der Terminologie des Urheberrechts nannte man das Trägermedium „Verkörperung“, und wenn der Käufer das ordnungsgemäß gekauft hatte, war das Urheberrecht an der Verkörperung „erschöpft“ (siehe § 17 Urheberrechtsgesetz) und der Käufer durfte es weiterverkaufen. Da im Fall der gebrauchten Software aber kein Trägermedium verkauft worden, sondern nur die elektronische Kopie einer Datei zur Verfügung gestellt worden war, konnte keine Erschöpfung eintreten.
Der EuGH sah die Sache aber aus einer anderen Perspektive. Digitale Dateien mögen zwar keine Sachen sein, aber sie sind Waren, die im Wirtschaftsleben gehandelt werden. Und auf dem europäischen Binnenmarkt sollen Waren frei zirkulieren. Das klappt nur, wenn man digitale Produkte weiterveräußern darf. Deswegen bastelte der EuGH urheberrechtlich die Konstruktion, dass Inhalte auch in einer digitalen Datei „verkörpert“ sein können, wenn auch sozusagen körperlos verkörpert. Und dann und deshalb könne auch die urheberrechtliche Erschöpfung eintreten.
Bei vielen Nutzern machen sich die Verlage und Händler mit dieser Haltung unbeliebt, weil schwer zu vermitteln ist, worin der qualitative Unterschied zwischen einer Software- und einer E-Book-Datei besteht. Juristisch haben aber Verleger und Distributeure die besseren Argumente: Rechtlich sind Unterscheidungen aufgrund des Inhalts einer Datei nicht ungewöhnlich. So gibt es im EU-Recht für Software eine eigene Richtlinie, die für Computerprogramme andere Regeln aufstellt als für E-Books und Audiodateien.
Im Moment sieht es nicht so aus, als würde der Streit über das richtige Verständnis der „UsedSoft“-Entscheidung des EuGH tatsächlich große praktische Bedeutung erlangen, auch wenn er von Urheberrechtlern und Verbraucherschützern munter weitergeführt wird. Die Gründe:
- Mit dem (mittlerweile rechtskräftigen) Urteil des Oberlandesgerichts Hamm gibt es die Entscheidung eines hochrangigen Gerichts, das den Verkauf „gebrauchter“ Audiodateien und E-Books verbietet. Eine Entscheidung mit ähnlicher Tendenz fällte übrigens im vergangenen Jahr ein US-Gericht in einem Verfahren gegen das Start-up Redigi, das einen Internetmarkt für „gebrauchte“ Dateien aufbauen wollte.
- Verlage, Händler und Bibliotheken testen Leihmodelle. Sie könnten sich auch aus Verbrauchersicht als attraktivere Alternative zum „Kauf“ von E-Books und Audiodateien erweisen.
- Was Verbraucherschützer gern übersehen: Nach dem „Used Soft“-Urteil können Dateien nur dann legal weiterveräußert werden, wenn der Veräußerer nachweisen kann, dass er selbst keine Kopie mehr besitzt. Das aber ist nur möglich, wenn die Dateien durch DRM geschützt sind, das wiederum wegen seiner Benutzerunfreundlichkeit eher auf dem Rückzug ist.
- Wenn die Große Koalition im kommenden Jahr eine umfassende Reform des Urheberrechts in Angriff nimmt, dürfte sie den juristischen Streit per Gesetz entscheiden. Vorstellbar sei zum Beispiel, einen typisierten E-Book-Lizenzvertrag ins Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufzunehmen, meint etwa der CDU-Rechtspolitiker Günter Krings.
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